Rezension:
Der Film als politisches Kommunikationsmittel

Der Literaturwissenschaftler Peter Demetz widmet sich in seinem gleichnamigen Sachbuch Diktatoren im Kino.
 

von Frank Kaltofen

Der 1922 geborene Peter Demetz hat in seinem Leben eine ganze Reihe von Herrschaftsformen kommen und gehen sehen: Aufgewachsen in der demokratischen Tschechoslowakei, die später unter Nazi-Besatzung fiel, floh er nach dem kommunistischen Putsch 1948 zuerst nach Westdeutschland und emigrierte schließlich in die USA, deren Staatsbürgerschaft er Ende der 50er Jahre annahm. 

In seinem aktuellen Buch Diktatoren im Kino widmet sich der Literaturwissenschaftler einem historischen Rundumschlag den europäischen Diktaturen des 20. Jahrhunderts und dem Filmgeschmack der Machthaber – wobei er das Wort „Diktatoren“ nicht zu eng auslegt, denn auch Joseph Goebbels, der „Filme fast jeden Abend mit dem Eifer eines Vorzugsschülers“ geprüft habe, erhält ein eigenes Kapitel. Das Buch verdeutlicht unter anderem, dass Hitler und sein Propagandaminister nicht immer derselben Meinung waren, wenn es um die Qualität oder Zeitbarkeit von Filmen ging. Mussolini hingegen wollte mit dem Projekt der Filmstadt Cinecittà eine italienische Antwort auf Hollywood und Babelsberg schaffen; Demetz zufolge habe er aber auch sehr früh erkannt, dass der Film – wohl nicht zuletzt aufgrund des in Italien verbreiteten Analphabetismus – als politisches Kommunikationsmittel zu nutzen sei. 

Ähnliches zeigt Demetz bereits für Lenin, der das Medium Film als wichtig ansah, um die Arbeiter und Bauern der Sowjetunion über die Segen der Revolution zu belehren: Umgebaute Züge und Dampfschiffe für Filmvorführungen wurden von ihm durch das riesige Land geschickt. Einig waren sich alle Diktatoren, so zeigt Demetz auch wenig überraschend, über die ideologischen Gräben hinweg in der Notwendigkeit einer staatlichen Kontrolle und Lenkung des Mediums Film. 

Diktatoren im Kino ist keine leichte Lektüre und ohne fundierte Kenntnisse der zahlreichen Akteure und politischen Umstände der jeweiligen Zeit mitunter schwierig zu folgen. Das liegt auch daran, dass Demetz allerlei thematische Seitenarme eröffnet (etwa Verwandtschaftsverhältnisse oder Liebeleien), die ebenso stark seine Belesenheit ausdrücken, wie sie von der eigentlichen Thematik ablenken. Ein „Film-Buch“ im engeren Sinne ist dies nicht, dessen sollte sich der potenzielle Leser bewusst sein. Lehrreich ist es aber allemal.

 

Peter Demetz: 
Diktatoren im Kino
Paul Zsolnay Verlag
256 Seiten

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