Buchautorin Pia Volk (Foto: © Jacobia Dahm)

„Die Biblio-Diversität auf dem Buchmarkt erhöhen“

Leipzig als Verlagsstadt – das ist nicht nur Geschichte, sondern auch Gegenwart. Ein besonderes Beispiel: der auf afrikanische Literaturen spezialisierte akono-Verlag.

(Fotos: © akono Verlag)

Die Leipziger Verlagslandschaft präsentiert sich vielfältig – auch abseits des jährlichen Buchmesse-Trubels. Ein Baustein in dieser Vielfalt ist der akono-Verlag mit Sitz im Leipziger Westen: Der junge Indieverlag ist spezialisiert auf zeitgenössische Prosa und Lyrik aus afrikanischen Ländern und schafft außerdem ein literarisches Zuhause für afrikanischstämmige Autoren in Deutschland.

Gegründet hat den Verlag im Jahr 2020 die dekoloniale Aktivistin und studierte Kulturwissenschaftlerin Jona Elisa Krützfeld. „Leipzig ist ein guter Ort für das Gedeihen solch verrückter Projekte“, erklärt die Verlegerin, denn es gebe in der Stadt viele Freiräume und Netzwerke an Kreativen, zudem Gründungsunterstützungen – sie selbst hatte ein Gründungsstipendium des Social Impact Labs und Betreuung der „SMILE“-Gründungsstelle an der Uni Leipzig. „Und irgendwie war da eben auch der Vibe von Leipzig als alter Verlagsstadt, als Stadt der Leipziger Buchmesse“, erklärt Krützfeld weiter. 

Wieso aber gerade ein Verlag für afrikanische Literaturen? „Ich wollte einen Raum für afrikanische Ästhetiken schaffen und die Biblio-Diversität auf dem deutschen Buchmarkt erhöhen, weil ich da in Bezug auf den afrikanischen Kontinent und seine reichhaltigen Literaturen durchaus Nachholbedarf gesehen habe.“ 

Verlagsgründerin Jona Elisa Krützfeld

„Ich wollte einen Raum für afrikanische Ästhetiken schaffen und die Biblio-Diversität auf dem deutschen Buchmarkt erhöhen.“

Jona Elisa Krützfeld über die Motivation zur Gründung des akono-Verlags

Dabei kann sie auf ein breites Netzwerk zurückgreifen: von der Hochschule für Grafik und Buchkunst über die Fachbereiche Afrikanische Studien und Kulturwissenschaften an der Uni Leipzig bis zu Organisationen wie „Leipzig Postkolonial“ – und natürlich zahlreiche Übersetzer*innen und Gestalter*innen in Leipzig und darüber hinaus. So auch im Fall des Buchprojekts Look at Us: Die Verlagsgründerin hatte bereits für den Roman Vertraulichkeiten von Max Lobe mit der Kommunikationsdesignerin Mawuto Dotou zusammengearbeitet. „Sie hat das Cover entworfen und wir haben uns sehr gut verstanden. Ich wusste schon vom Projekt Look at Us, das sie zusammen mit den anderen erarbeitet hatte. Wir trafen uns dann alle bei einer Kreativ- und Buchmesse in Hamburg, wo die drei mich fragten, ob Look at Us bei akono ein verlegerisches Zuhause finden könnte – ich habe sofort ja gesagt zu solch einem tollen Projekt.“

Das Ergebnis ist das Buch Look at Us, eine „Galerie der Schwarzen Vorbilder & Held*innen in Deutschland“, wie es im Untertitel heißt; ein Buch „für alle Schwarzen Menschen in Deutschland, die auf der Suche nach Vorbildern und Inspiration sind“. Porträtiert werden darin 29 Schwarze Personen aus unterschiedlichen Lebensbereichen und Professionen, die auf den rund 100 Seiten von ihrem Lebensweg und ihren Berufen berichten. 

Über die Motivation hinter dem Buchprojekt und die Bedeutung Schwarzer Vorbilder in Deutschland sprachen wir mit Sandra Mawuto Dotou und Sheeko Ismail, einem Teil des vierköpfigen Teams hinter Look at Us:

MdM: Wie kam die Idee für das gemeinsame Projekt und für das Buch zustande? 

SHEEKO ISMAIL: Ich hatte schon lange die Idee zu solch einem Buch. Ich kam mit Tabea, die auch all die tollen Illustrationen gemacht hat, ins Gespräch und danach haben wir uns nach und nach als Team vernetzt. Die Grundidee ist: Es braucht im deutschsprachigen Raum Vorbilder für Schwarze afro-diasporische Communities. Bei der öffentlichen Repräsentation Schwarzer Menschen fehlt es, in den Medien etwa ist, auch wissenschaftlich nachgewiesen, an Diversity. Was mich dabei unglaublich inspiriert hat, war das Buch Young, Gifted and Black aus den USA, in dem verschiedene Schwarze Vorbilder aus der ganzen Welt vorgestellt werden. Ähnlich ist die Idee hinter Look at Us, aber mit Fokus auf Schwarze Menschen im deutschsprachigen Raum. Als vierköpfiges Team haben wir deren Geschichten zusammengetragen und so diese Idee – dann zusammen mit dem akono-Verlag – erfolgreich realisiert. Auch die Illustrationen sind alle extra für das Buch entstanden, dank Tabea Erhart.

Gibt es etwas, das die Personen in dem Buch verbindet – außer ihrer Hautfarbe? Wurden bestimmte Kriterien gewählt, anhand derer die porträtierten Personen ausgesucht wurden?

SHEEKO ISMAIL: Uns war sehr wichtig, dass die Personen in unserem Buch aus ganz unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft kommen. Wir wollten nicht nur „Black Excellence“ darstellen, denn alle sollen in der Lage sein, sich in dem Buch wiederzuerkennen. Also sind beispielsweise sowohl Menschen mit als auch ohne akademischen Background dabei. Menschen innerhalb der afro-deutschen Community, die aus unterschiedlichen Lebensrealitäten kommen.

SANDRA MAWUTO DOTOU: Genau, und auch aus unterschiedlichen Altersgruppen. Wir haben da bewusst auch eine Mischung geachtet: Die jüngste Person im Buch ist unter 20 Jahre alt, die älteste Person 60 plus. Im Grunde genommen verbindet all diese Personen wirklich nur, dass sie Schwarz sind. Die Absicht war zu zeigen, dass es nicht die eine Form des Schwarzseins gibt. Vielen Schwarzen Kindern in Deutschland wird vermittelt, man könne nur Anwalt, Politiker oder Arzt werden, alle anderen Möglichkeiten seien unnütz für die Schwarze Community. Dem wollen wir entgegenwirken und zeigen: Man kann in Deutschland auch etwas anderes werden und ist deswegen nicht weniger Schwarz. Das ist auch innerhalb der Community ein Thema, dass eine Person, die zum Beispiel mit Poesie oder Fotografie zu tun hat, als „weniger Schwarz“ angesehen wird. Andersherum wollen wir aber auch zu zeigen, dass es Schwarze Menschen in diversen Spaces gibt – auch wenn man sich als Kind vielleicht nicht vorstellen konnte, dass eine Person mit derselben Hautfarbe wie man selbst in der Politik sein könnte oder Musiker*in sein könnte abseits von Rap oder Hip-Hop.

Was wären dementsprechend Ihre Erwartungen oder Wünsche, nachdem das Buch nun veröffentlicht wurde?

SANDRA MAWUTO DOTOU: Ich persönlich bin schon glücklich, wenn mehrere Heranwachsende oder Personen, die gerade vor der Entscheidung stehen, was sie nach der Schule machen sollen, von dem Buch erfahren und ihnen klar wird, dass es komplett verschiedene Möglichkeiten gibt – und man in diesen vielen Möglichkeiten Erfolg für sich selbst finden kann. Es geht gar nicht so sehr um Verkaufszahlen, sondern ich wäre froh, wenn es dazu beiträgt, ein solches Bewusstsein in der Community zu schaffen. Sobald Schwarze Heranwachsende verstehen, dass sie alles sein können, wird auch die Mehrheitsgesellschaft mitbekommt, dass wir in jedem Teilbereich präsent sind. Ich selbst werde beispielsweise aus der Schwarzen Community oft gefragt, wieso ich Design studiere, denn das bringe doch nichts für unsere Community. Andersherum wurde ich aber auch an der Hochschule oft gefragt: Wieso bist du die einzige Schwarze Grafikdesignerin unter 500 Studierenden? Aber es ist ja nicht so, dass ich die erste Schwarze Grafikdesignerin Deutschlands bin – und ich werde auch nicht die letzte sein. Also: Diese gesellschaftliche Sichtbarkeit schaffen, darum geht es uns mit Look at Us.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Frank Kaltofen.

Teresa Awa, Tabea Erhart, Sandra Mawuto Dotou und Sheeko Ismail (Hg.):
Look at Us! 
Galerie der Schwarzen Vorbilder & Held*innen in Deutschland
akono-Verlag 2023
104 Seiten

 

© 2024 Mitteldeutsches Magazin. Alle Rechte vorbehalten.

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.