Ausschnitt der ersten „Vater und Sohn“-Bildergeschichte aus dem Jahr 1934.

Vater, Mutter, Kind(er)

Sein Stil ist unverkennbar: Erich Ohser alias e.o.plauen hat mit seinen „Vater und Sohn“-Bildergeschichten einen weithin bekannten Klassiker geschaffen – und Nachahmer gefunden. Ein Interview zum 90. Jahrestag der Erstveröffentlichung von Ohsers Comic-Werk.


von Frank Kaltofen

Plauen, die Kreisstadt im Südwesten Sachsens, ist heute vor allem bekannt für die filigranen Textil-Kunstwerke, die Plauener Spitzen. Mit etwa 65.000 Einwohnern ist sie die größte Stadt des sächsischen Vogtlandes. Im Mittelalter ein bedeutendes Handelszentrum, war die Stadt ab dem 18. Jahrhundert ein wichtiger Standort der Textilindustrie. 

Im Jahr 1934 hatte Plauen rund 83.000 Einwohner und erlebte aufgrund besagter Textilindustrie ein stetiges Bevölkerungswachstum. Es war das Jahr, in dem die erste Bildergeschichte mit „Vater und Sohn“ erschien. Dass jener gezeichnete Klassiker von einem Künstler aus dem sächsischen Plauen stammt, wissen heute vermutlich nur wenige. Das Schaffen des Zeichners e.o.plauen kennt hingegen vermutlich fast jeder.

Erstveröffentlichung vor 90 Jahren

Mit bürgerlichem Namen hieß der Mann hinter den „Vater und Sohn“-Geschichten Erich Ohser (daher „e.o.“), der Zusatz „plauen“ im Künstlernamen stammte wenig überraschend von jener Stadt, in der er einen Großteil seines frühen Lebens verbracht hatte.

Gegen den Willen seiner Eltern hatte Ohser an der Staatlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig studiert, fand danach Arbeit als Zeichner und Karikaturist. Unter dem Pseudonym „e.o.plauen“ schuf Ohser später seine „Vater und Sohn“-Geschichten, deren erste in der Berliner Illustrirten Zeitung am 13. Dezember 1934 erschien, mit dem Titel Der schlechte Hausaufsatz

Mischung aus Update und Hommage: „Mutter & Tochter“

Knapp 90 Jahre nach der ersten Veröffentlichung von „Vater und Sohn“ erschien vor Kurzem das feminine Pendant im Johannes-Schimmsel-Verlag: In „Mutter & Tochter“ begleiten wir das kleine Mädchen und ihre (offensichtlich alleinerziehende) Mutter durch allerlei Alltagssituationen. Ähnlich dem reduzierten, ohne Farben auskommenden Zeichenstil Ohsers, holt Zeichner Jannes Weber das Eltern-Kind-Miteinander auf charmante Weise ins Heute, mitsamt Zoom-Meetings und Body Positivity – beides Dinge, von denen der 1944 verstorbene Ohser nie etwas gehört haben dürfte. 

Cover des Comics "Mutter & Tochter"

Verlosung:

In freundlicher Kooperation mit dem Johannes-Schimmsel-Verlag verlosen wir 2 Exemplare des neuen Comics „Mutter & Tochter“

Um an der Verlosung teilzunehmen, einfach 
1. dem Mitteldeutschen Magazin und Johannes-Schimmsel-Verlag bei Instagram folgen und 
2. den angehefteten Insta-Beitrag zum Interview in der eigenen Story teilen. 

(Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.)

Heute gehören zu den Sehenswürdigkeiten Plauens neben dem Alten Rathaus mit seinem Renaissance-Giebel und dem Plauener Spitzenmuseum auch das Erich-Ohser-Haus mit der Galerie e.o.plauen. Die promovierte Kunsthistorikerin Iris Haist erklärt im Interview, wie Ohsers Schaffen heute in Plauen präsent ist und welche Verbindung zur neuen „Mutter & Tochter“-Hommage besteht:

„Die Figuren von e.o.plauen blieben vor allem künstlerisch bis heute singulär“

MdM: Frau Dr. Haist, vielen ist vielleicht gar nicht klar, dass „Vater und Sohn“ von „e.o.plauen“ aus Plauen stammen. Wie erinnert man in Sachsen heute an Erich Ohser und sein Schaffen? 

HAIST: In Plauen stehen Vater und Sohn als plastische Figurengruppen in den wichtigsten Straßen und leiten die Menschen bis zur Galerie e.o.plauen – Kunstmuseum Erich Ohser. Dort befindet sich der größte Teil des Nachlasses von Erich Ohser. Das Museum zeigt zweimal jährlich wechselnde Fokusausstellungen zum vielfältigen Werk des Zeichners im Original. Hier werden er und seine berühmten Comicfiguren lebendig gehalten. Aktuell kann man dort noch bis zum 30. März 2025 die Jubiläumsausstellung „Happy Birthday! Vater und Sohn feiern ihren 90. Geburtstag“. Wer Literatur sucht, wird dort im gemeinsamen Museumsshop mit dem Vogtlandmuseum Plauen auf jeden Fall fündig.

„Vater und Sohn“ mussten während der NS-Herrschaft auch für die Reichstagswahl 1936 und die im selben Jahr stattfindenden Olympischen Sommerspiele in Berlin „werben“. Wie kam Ohser damit zurecht?

Für die Olympischen Spiele hat er sicher gerne geworben, um die Sportler:innen zu unterstützen und nicht so sehr das Regime an sich. Denn in erster Linie war Ohser ein Freund von Menschlichkeit und Miteinander. Die Wahlwerbung muss ihm indes schwerer gefallen sein, denn die Ideologie des NS-Regimes war ihm persönlich fremd – dass er diese Gedanken offen äußerte, führte dann auch zu seiner Inhaftierung und letztlich zu seinem Tod. Es ist auffällig, dass Ohser kurz vor der angesprochenen Werbung überraschend Berufsverbot bekam, das kurz darauf wieder aufgehoben wurde – ein Instrument der Machthaber, um Ohser zu Dingen zu bringen, die er eigentlich nicht tun wollte. Auch diese Themenfelder werden in der aktuellen Ausstellung in Plauen behandelt.

„Der schlechte Hausaufsatz“, die erste „Vater und Sohn“-Geschichte aus dem Jahr 1934.

„Vater hat geholfen“ (auch: „Der schlechte Hausaufsatz“), die erste „Vater und Sohn“-Geschichte aus dem Jahr 1934.

Ohsers Bildgeschichten sind auch heute noch sehr bekannt, selbst international. Erkennen Sie Einflüsse der „Vater und Sohn“-Geschichten auf spätere Comic-Schaffende, sei es in Deutschland oder anderswo?

Eine gewisse Inspiration stellte „Vater und Sohn“ vermutlich für die 1952 begonnene Schweizer Comicserie „Papa Moll“ von Edith Jonas dar. Doch hier sind sowohl die Zeichenweise mit Farbgebung, die Geschichten, als auch die Art des Humors sonst nicht weiter zu vergleichen. Die Figuren von e.o.plauen blieben vor allem künstlerisch, mit dem schnellen, lebendigen und kratzigen Strich, bis heute singulär. Nach Ablauf des Urheberrechts 2014, also 70 Jahre nach dem Tod Ohsers, kreierten Marc Lizano und Ulf K. gemeinsam neue Vater und Sohn Figuren mit neuen Geschichten, zwar in Gedenken an den berühmten Vorläufer, aber im ganz eigenen Stil Ulf K.s. Seit 2024 kommen nun auch „Mutter & Tochter“ von Jannes Weber dazu, die ebenfalls von e.o.plauens „Vater und Sohn“ inspiriert wurden.

Stichwort Einfluss auf spätere Comic-Künstler: Wie haben Sie und Ihre Kollegen im Erich-Ohser-Haus diesen kürzlich veröffentlichten „Mutter & Tochter“-Comicband von Jannes Weber erlebt? 

Wunderbarer Weise lies der Johannes-Schimsel-Verlag, der den Band von Jannes Weber verlegt, die Bücher als Hommage an e.o.plauen bei der Plauener Traditionsdruckerei SDP Sachsendruck Plauen produzieren. So entstand dann auch der Kontakt zur Galerie e.o.plauen – Kunstmuseum Erich Ohser und damit zu mir. Ich war aufgrund der Dynamik der Zeichnungen und der liebevollen Darstellung der weiblichen Charaktere sofort begeistert von „Mutter & Tochter“ und erklärte mich gern dazu bereit, den Klappentext zum Buch zu verfassen. Und selbstverständlich konnten wir es uns auch nicht entgehen lassen, Webers Figuren in die Galerie e.o.plauen zu holen. Parallel zur Ausstellung „Happy Birthday! Vater und Sohn feiern ihren 90. Geburtstag“ wird der Zeitgenössische Kommentar „Mutter & Tochter“ von Jannes Weber ebenfalls noch bis März 2025 in Plauen zu sehen sein.

Noch eine persönliche Frage zum Schluss: Was bleibt nach diesen 90 Jahren von Erich Ohsers Bildgeschichten, was sie aus Ihrer Sicht noch heute lesenswert macht?

Ohsers „Vater und Sohn“-Bildgeschichten, aber auch seine übrigen eher unbekannten Cartoons, ziehen ihren Witz aus ganz alltäglichen Situationen, in denen es sehr „menschelt“. Und eben genau das, die liebevolle und offene Beziehung zwischen den unterschiedlichsten Menschen, ist etwas, was hoffentlich immer aktuell bleiben wird.

Zum Weiterlesen:

e.o.plauen: Vater und Sohn. Bildgeschichten
Ausw. und Nachbemerk. von Lisa Paulsen
Reclam Verlag
128 Seiten

Jannes Weber: Mutter & Tochter
Johannes-Schimmsel-Verlag
120 Seiten

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