Ein Blick auf die Innenstadt von Jena mit dem Uniturm und mehreren Hochhäusern.

Neues Forschungsnetzwerk in Jena: Schaufenster und Plattform zugleich

JenaVersum verbindet in der Saalestadt zukünftig über 20 Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft. Das Netzwerk wolle „einen Ort der Begegnung und des Dialogs schaffen“, erklärt Stabsstellenleiterin Dana Strauß im Interview.

MdM: Frau Dr. Strauß, ein Netzwerk zwischen der Universität Jena, der Ernst-Abbe-Hochschule, dem Uni-Klinikum, den außeruniversitären Forschungseinrichtungen, forschenden Stiftungen, der Stadt Jena und der Wirtschaft – wie lassen sich die unterschiedlichen Interessen von so vielen Stakeholdern zusammenführen?
STRAUß: Die gemeinsame Absicht des Netzwerkes JenaVersum ist es, die Zusammenarbeit am Standort auf eine neue Ebene zu heben. Wichtig war am Anfang deshalb vor allem zu ermitteln, was die unterschiedlichen Akteure jeweils unter dieser „neuen Ebene“ verstehen: Wo sehen sie ungenutzte Potenziale? Was kann man gemeinsam besser schaffen, als alleine? Aber auch: Was sind Befürchtungen? Um diese Fragen zu beantworten, habe ich zu Beginn meiner Tätigkeit als Stabsstellenleiterin an der Uni Jena ab Herbst 2019 persönliche Auftaktgespräche mit 150 Gesprächspartner*innen geführt. Dabei wurde deutlich, dass die Partner trotz aller Unterschiedlichkeit sehr ähnliche Schwerpunkte setzen. Oberste Priorität hat die Verbesserung der internationalen Sichtbarkeit des Standortes. Ein Gesprächspartner hat das einmal so formuliert: „Wir wollen kommunikativ da ankommen, wo wir forschungsmäßig stehen.“

Welcher Ansatz wird dafür genutzt?
JenaVersum wahrt in seiner Arbeit die Eigenständigkeit und -identitäten der einzelnen Partner. Sie sind der Kern des Netzwerks. Das Ziel von JenaVersum ist es, Schaufenster zu sein für all die beeindruckenden forschungsbezogenen Kooperationen vor Ort und Plattform, um den Austausch und die Kooperation zu fördern. Besonders zu Themen, die gemeinsam besser und effektiver angegangen werden können als von den einzelnen Einrichtungen alleine. 
Neben dem internationalen Standortmarketing konnten hierfür vier weitere Themen identifiziert werden, die allen Stakeholdern ähnlich wichtig sind: der netzwerkweite Austausch über Forschungsschwerpunkte und zukünftige Forschungsinitiativen; die abgestimmte Nutzung der Forschungsinfrastruktur im Netzwerk; der Dialog mit und der Wissenstransfer in die Gesellschaft sowie schließlich die koordinierte Standortentwicklung. Diese Themen bilden nun die Handlungsfelder von JenaVersum, die in gemeinsamen Arbeitsgruppen vorangebracht werden. 
Strategisch entscheidend war das Commitment aller Stakeholder, eine eigene Rechtsform für JenaVersum zu etablieren: Im November 2021 wurde JenaVersum erfolgreich als gemeinnütziger Verein gegründet. Die geteilte Verantwortlichkeit wird auch im Vorstand deutlich.

Welche Pläne für die gemeinsame Arbeit wurden in den „Zukunftswerkstätten“ von JenaVersum bisher erarbeitet?
In den Zukunftswerkstätten sammeln wir gemeinsam Ideen für eine Verbesserung der Zusammenarbeit und identifizieren Maßnahmen, die allen sinnvoll und umsetzbar erscheinen. Vorausgehend halten wir dabei zunächst fest, wie der Status Quo im jeweiligen Handlungsfeld aussieht. Dazu befragen wir die jeweiligen Expert*innen der Partnereinrichtungen. Zwei Beispiele dafür: In der Zukunftswerkstatt Internationales Standortmarketing haben wir vereinbart, Materialien „JenaVersum to go“ zu entwickeln, die wir unseren Forschenden und internationalen Gästen mitgeben können, um für den Standort zu werben. Dabei bewegt sich JenaVersum in engster Abstimmung mit dem Stadt- und Standortmarketing bzw. unseren Partnern JenaKultur und der Wirtschaftsförderung Jena. In der Zukunftswerkstatt zur Forschungsinfrastruktur gab es von den Partnern positives Feedback zu einer Plattform, die kooperationsfördernde Forschungsinfrastruktur im Netzwerk sichtbar macht und eine abgestimmte Nutzung ermöglicht. Diese wollen wir in den kommenden Monaten pilotieren.

Bemerkenswert ist der Mix aus naturwissenschaftlich-technischen Forschungseinrichtungen und historisch-gesellschaftswissenschaftlich tätigen Stiftungen wie der Stiftung Ettersberg. Was erhofft man sich davon?
JenaVersum ist diese Vielstimmigkeit und JenaVersum braucht diese Vielstimmigkeit – dies ist das große Potenzial! Anders als thematisch arbeitende Cluster repräsentiert JenaVersum den Forschungsstandort in seiner Breite: Natur- und lebenswissenschaftliche wie sozial- und kulturwissenschaftliche Einrichtungen prägen die Wissenschaft am Standort. Dazu kommen in JenaVersum noch die Partner aus Stadt und Wirtschaft. Viele der Akteure unterhalten bereits langjährige und institutionell gefestigte Kooperationen miteinander, die JenaVersum weiter unterstützen möchte. Gleichzeitig ist JenaVersum auch Begegnungs- und Experimentierraum. Roger Willemsen rief einmal dazu auf, dass wir alle mehr Flaneure sein sollten und Unbekanntes auf dem Weg der Begeisterung anderer entdecken sollten. In diesem Sinne möchte JenaVersum Gelegenheiten bieten, durch die Wissenschaften und das Netzwerk zu flanieren und sich inspirieren zu lassen von der Begeisterung der Partner für ihr jeweiliges Forschungsthema. Nur so kann Neues entstehen und nur so können die gesellschaftlichen Herausforderungen angegangen werden. Die Aufgaben werden in ihrer Dringlichkeit und Komplexität ja leider nicht kleiner.

Foto von der Auftakt-Veranstaltung des Netzwerks JenaVersum mit Dana Strauß und dem Präsidenten der Uni Jena, Walter Rosenthal, sowie sitzenden Gästen.

„Mit JenaVersum arbeiten wir für eine größere Sichtbarkeit der Wissenschafts- und Wirtschaftsregion auf nationaler und internationaler Ebene.“

Dana Strauß (stehend) mit FSU-Präsident Walter Rosenthal bei der Auftaktveranstaltung des JenaVersum-Netzwerks Ende 2021.

(Foto: Jens Meyer, Universität Jena)

Der Verein soll den „Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft fördern“ – ein angesichts der Entwicklungen in den letzten Jahren wichtiges, aber wohl auch sehr schwieriges Unterfangen. Welche Ideen gibt es bisher dazu?
Im Netzwerk gibt es bereits sehr viele Veranstaltungen, die sich an die Öffentlichkeit richten. Wir möchten dieses Angebot gern für die Bürger*innen noch sichtbarer machen, zum Beispiel mit einem gemeinsamen Label. Intern unterstützen wir den Austausch zwischen den Kommunikationsverantwortlichen der Partnereinrichtungen mit einem gemeinsamen Kalender. So sind alle über die wichtigsten Jahresereignisse im Netzwerk informiert und können gemeinsame Aktionen besser planen. Im Mai 2022 rief etwa die Jenaer Wirtschaftsförderung den Monat der kulturellen Vielfalt aus; hierüber haben wir unsere Partner aus der Wissenschaft informiert und zum Mitmachen eingeladen, um gemeinsam dieses Thema am Standort sichtbar zu machen. 
Wir wollen auch neue Formate ausprobieren, in denen wir Bürger*innen und Akteure aus Stadt, Wirtschaft und Wissenschaft zusammenbringen. Ein erstes solches Format ist der Think-Tank, den wir bereits auf lokaler und europäischer Ebene durchführen konnten. Durch unser Engagement im europäischen Projekt EC2U (European Campus of City-Universities) sind wir mit sechs weiteren Wissenschaft-Stadt-Netzwerken aus ganz Europa verbunden. Erst Anfang April 2022 haben wir im italienischen Pavia die Ergebnisse unserer lokalen Think Tanks zum Thema „Circular Economy“ und Nachhaltigkeit mit Studierenden sowie Vertreter*innen aus Stadt und Wissenschaft vorgestellt. Hier konnten wir zeigen, was wir in Jena bereits alles auf den Weg gebracht haben und lernten gleichzeitig von den Erfahrungen der anderen Standorte. Diesen Austausch werden wir mit weiteren Fragestellungen und mit anderen spannenden Formaten weiter fördern. Noch in diesem Jahr stellen wir unsere Jenaer „Lighthouses of Innovation“ auf europäischem Parkett vor. Für 2024 ist ein Makeathon in Jena und den anderen sechs europäischen Standorten geplant.

Welche Synergien erhofft man sich also über den Standort Jena hinaus?
JenaVersum geht bereits in seiner Struktur über den Standort Jena hinaus: Einige unserer Partner kommen ja aus Weimar, zum Beispiel die Klassik Stiftung Weimar, oder – im Falle des Fraunhofer IKTS – aus Hermsdorf. Mit JenaVersum arbeiten wir für eine größere Sichtbarkeit der Wissenschafts- und Wirtschaftsregion auf nationaler und internationaler Ebene. Wir erhoffen uns, dass viele Top-Leute hierherziehen und dass wir sie auch hier halten können. Auf nationaler Ebene konnten wir uns bereits im Verbund der Wissenschaftsnetzwerke vorstellen und kooperieren zukünftig stärker mit dem nationalen Standortmarketing „Research in Germany“. Auf europäischer Ebene sind wir im engen Austausch mit anderen wissenschaftlichen und städtischen Einrichtungen in der schon erwähnten Allianz EC2U zu Themen wie beispielsweise Innovation, Entrepreneurship, Nachhaltigkeit. Wir machen die Internationalität und Vielfalt unter den Forschungsprojekten, Forschenden und den Kooperationen sichtbar und schaffen damit Anknüpfungspunkte für weiteren Austausch.

Ab 2024 soll JenaVersum im neu entstehenden FORUM für Kommunikation und Begegnung am Universitätshauptgebäude seinen Sitz haben. Wie sehen die Pläne des JenaVersum-Netzwerks bis dahin aus? 
Wir wünschen uns, dass JenaVersum als gemeinsames Band um den Standort und als echter Mehrwert wahrgenommen wird. Zusammen haben wir uns einiges vorgenommen: wirkungsvolles internationales Standortmarketing betreiben, eine gemeinsame Plattform für die abgestimmte Nutzung von Forschungsinfrastruktur anlegen, Öffentlichkeits- und Netzwerkveranstaltungen konzipieren, neue Kooperationen anbahnen. JenaVersum soll eine Art des Miteinanders beschreiben – anerkennend, vielstimmig und offen. Wir wollen einen Ort der Begegnung und des Dialogs schaffen, in dem vertrauensvoll zusammengearbeitet wird.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Dr. Strauß. 

Die Fragen stellte Frank Kaltofen (Redaktion Mitteldeutsches Magazin).

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