Bericht zur sozialen Lage der Opfer des SED-Regimes in Thüringen vorgestellt

Der Landesbeauftragte Dr. Peter Wurschi bei der Vorstellung des neuen Berichts in Erfurt.
 

(Foto: Thomas Rauscher, ThLA)

Der Thüringer Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (ThLA), Dr. Peter Wurschi, stellte in Erfurt den ersten Teil seines Berichts zur sozialen Lage der Opfer des SED-Regimes in Thüringen vor. Dieser versammelt unter dem Titel „Geteilte Erfahrungen“ zwei repräsentative und quantitative Teilstudien: Die eine setzt sich mit der Akzeptanz der thüringischen Bevölkerung mit dem Wiedergutmachungsprozess gegenüber den Opfern der SED-Diktatur auseinander; die zweite analysiert diesen Wiedergutmachungsprozess aus Sicht der Betroffenen. 

Aus der Erhebung geht hervor: Für die Thüringerinnen und Thüringer bleibt die Erinnerung an die DDR ambivalent. Die DDR wird heute nur geringfügig negativer bewertet als die gegenwärtige Bundesrepublik – zurück haben will das alte System aber auch keiner. Wenn konkret nach den Vorteilen der DDR gefragt wird, trübt sich das Bild: Unterschiede werden klar benannt, doch das positive DDR-Bild bleibt bestehen. Dabei zeigt sich eine hohe Akzeptanz hinsichtlich der Rehabilitierung von Betroffenen des SED-Regimes – 84 Prozent der Befragten befürworten beispielsweise die Entfristung der Rehabilitierungsgesetze. 

Der Bericht zeigt unter anderem, dass die Zufriedenheit mit dem Prozess der eigenen Rehabilitierung bei den Betroffenen seit 2008 um neun Prozent (auf nun 54 Prozent der Befragten) stieg. Gleichwohl sind aber auch heute noch 24 Prozent der Befragten mit dem Prozess ihrer Rehabilitierung unzufrieden. 

Ehemals Verfolgte sehen Gerechtigkeitslücke bis heute

Die Haushaltseinkommen der Betroffenen haben sich seit 2008 erhöht, liegen aber immer noch unter dem Durchschnitt der Thüringer Bevölkerung. Mit zwölf Prozent ist der Anteil von Geringqualifizierten unter ihnen signifikant höher als im thüringischen Mittel. Durch die verfolgungsbedingten Einschnitte in ihrer Biografie wurden sie oftmals an einer normalen Ausbildungs- und Erwerbslaufbahn gehindert, sodass staatliche Eingriffe der DDR-Organe sich bis heute in ihrem Leben auswirken. Eine überwiegende Mehrheit der Betroffenen zeigt sich mit der Rehabilitierungspraxis in Thüringen zufrieden, sehen aber allgemein eine „Gerechtigkeitslücke“ beim Vergleich der eigenen sozialen Lage mit jener ehemaliger SED-Funktionsträger.

„Etwas über ein Drittel [der Betroffenen] redet über das eigene Verfolgungs- bzw. Betroffenenschicksal (sehr) häufig oder gelegentlich. Die anderen selten oder gar nicht.“

Auszug aus dem aktuellen ThLA-Bericht (März 2023)

Im Bericht werden auch die Erwartungen der Betroffenen deutlich, darunter der Wunsch, die wissenschaftliche Forschung zu Langzeitfolgen verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden intensiv fortzusetzen - und die Ergebnisse entsprechend in die Gesetzgebung einfließen zu lassen. Zudem zeigt das erhobene Stimmungsbild, dass die Betroffenen erweiterte Anspruchsberechtigungen weiterer Opfergruppen für die sogenannte „Opferrente“ befürworten. Gleichzeitig sollten die Renten der „Nutznießer des SED-Regimes stärker begrenzt werden“.

Nachfrage nach Beratung weiterhin groß

Ein wichtiges Instrument, um auf die aktuelle soziale Lage der Betroffenen angemessen zu reagieren, nahm zum 1. Juni letzten Jahres in Thüringen die Arbeit auf: der sogenannte „Härtefallfonds für die Gewährung von Unterstützungsleistungen an in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR aus politischen Gründen Verfolgte sowie an Opfer des DDR-Zwangsdopings“. Von vielen Betroffenen immer wieder gefordert, fungiert er als zusätzlicher Baustein bei der Linderung von heute noch vorliegenden wirtschaftlichen Notlagen. Antragsberechtigt sind dabei rehabilitierte Betroffene sowie anerkannte Dopingopfer mit Wohnsitz im Freistaat Thüringen.

Dass neben administrativen Hilfestellungen gerade das offene Ohr eines längerfristig zur Verfügung stehenden Gesprächspartners von den Betroffenen geschätzt wird, spiegelt sich in rund 1.000 jährlichen Anfragen beim ThLA wider. Die Entfristung der Gesetze 2019 führt bis heute zu weiteren Anträgen und dem Wunsch nach umfassenderer Beratung und Schicksalsaufklärung. Um den Bedürfnissen der Betroffenen nach niedrigschwelliger Erreichbarkeit entgegen zu kommen, eröffnete der ThLA nun eine Beratungsstelle, die in der Häßlerstraße 8 in Erfurt angesiedelt ist. 
 

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